Als ich noch ein Kätzchen war, unterhielt ich dich mit meinem
Herumtollen und brachte dich zum Lachen. Du nanntest mich "dein
Baby", und, obwohl ich einige Nippes "killte" wurde ich deine
beste Freundin. Wann immer ich etwas "anstellte", hobst du
mahnend den Zeigefinger und sagtest: "Wie konntest du!?",
aber schon warst du wieder so zärtlich und hast mich eng an dich
gedrückt.
Als du im Studium so viel lernen musstest, hattest du natürlich
wenig Zeit für mich. Aber ich verstand das immer, und spielte
mit meinen Bällchen. Ich erinnere mich an alle die Nächte, in
denen ich mich in deinem Bett ganz eng an dich schmiegte, und
das Leben vollkommen schien. Du tolltest dann auch wieder mit
mir herum, und wir genossen die Sonne gemeinsam auf dem Balkon.
Von deinem Frühstück gab´s für mich immer was vom Schinken,
"aber nicht zuviel, das ist für Katzen ungesund!" Und ich
schlief solange, bis du von der Arbeit nach Hause kamst.
Nach und nach verbrachtest du immer mehr Zeit auf der Arbeit als
mit mir, um "Karriere" zu machen. Dann warst du so viel weg, um
einen Menschenpartner kennen zulernen. Ich wartete immer
geduldig auf dich, tröstete dich bei jedem Liebeskummer, tapste
mit meinen Pfoten deine Tränen vom Gesicht. Und freute mich, als
du endlich "deinen" Partner fandest. Zwar keinen Katzenfreund,
aber ich respektierte deine Wahl. Ich war glücklich, weil du
glücklich warst!
Dann kamen nacheinander deine Kinder zur Welt. Ich teilte die
Aufregung mit dir. Ich war von den süßen Kindchen so fasziniert,
dass ich sie mit bemuttern wollte. Aber du und dein Partner
dachten nur daran, dass ich den Kindern schaden, sie gar
verletzen könne. Deshalb wurde ich auch noch aus dem großen
schönen Raum ausgesperrt. In dein Bett durfte ich schon lange
nicht mehr.
Ich liebte die Kinder, und wurde "Gefangener der Liebe". Sie
fingen an zu wachsen, und ich wurde ihre Freundin. Sie zerrten
an meinen Ohren, meinem Fell meinem Schwanz, hielten sich auf
wackligen Beinchen beim Laufen lernen an mir fest. Sie
erforschten meine empfindliche Nase mit unbeholfenen Fingerchen,
und ich hielt bei all dem geduldig still. Ich liebte alles an
den Kindern, besonders ihre Berührungen, weil deine so selten
wurden. Ich war bereit, die Kinder notfalls mit meinem Leben zu
verteidigen. Ich war bereit, in ihre Bettchen zu schlüpfen, um
ihre Sorgen und Träume anzuhören. Und zusammen mit ihnen
erwartungsvoll auf das Motorengeräusch deines Autos zu hören,
wenn du in unsere Auffahrt einbogst.
Vor langer Zeit, als man dich fragte, ob du ein Haustier
hättest, zogst du aus deiner Tasche ein Foto von mir und
erzähltest so liebevoll von mir. Die letzten Jahre gabst du nur
noch ein knappes "Ja" zur Antwort und wechseltest dann das
Thema. Ich war früher "deine Samtpfote" und bin heute "nur eine
Katze".
Dann hattet ihr eine neue Karrieregelegenheit in einer anderen
Stadt. Du und deine Familie zogen in eine Wohnung, in der
Haustiere nicht erlaubt waren. Ein Mann hat euch das extra noch
gesagt, und ihr habt ohne zu Zögern unterschrieben. Beide. Du
hattest für dich und deine Familie eine Entscheidung zu finden,
die richtig war. - Obwohl einmal ich deine Familie war.
Die Autofahrt machte Spass, weil auch die Kinder mitfuhren. Als
ich merkte, wo wir angekommen waren, war der Spass zu Ende. Es
roch nach Hunden und nach meinen Artgenossen, nach Angst,
Desinfektionsmitteln und Hoffnungslosigkeit.
Du fülltest Papiere aus und sagtest, das du wissen würdest, dass
man ein gutes Heim für mich finden würde. Die beiden Damen
hinter dem Schreibtisch zuckten mit den Achseln und betrachteten
dich merkwürdig. Sie verstanden die Wirklichkeit, der eine Katze
über die fünfzehn gegenüberstand. Du hattest die Finger deiner
jüngsten Tochter aus meinem Fell lösen müssen, während sie
weinte und schrie "Nein, nein nehmt mir meine liebe Katze nicht
weg!"
Ich wunderte mich noch, wie du ihr ausgerechnet in diesem Moment
etwas von Freundschaft, Verantwortung und Loyalität vermitteln
wolltest. Zum Abschied tipptest du leicht auf meinen Kopf,
vermiedest dabei tunlichst, mir in die Augen zu sehen, und
lehntest es höflich ab, meine offen daneben stehende
Transportbox wieder mitzunehmen. Du hattest einen wichtigen
Termin einzuhalten, nun habe ich auch einen.
Kurz nachdem du weg warst, sagte eine der netten Damen, du
hättest mit Sicherheit schon Monate vorher vom Umzug gewusst,
und somit wäre Zeit gewesen, einen "guten Platz" für mich zu
finden. Sie schüttelten bedrückt den Kopf und fragten leise:
"Wie konntest du?"
Die Damen widmeten sich uns, wann immer es ihre Zeit zuliess.
Wir bekamen gute und reichliche Mahlzeiten, aber ich verlor
meinen Appetit schon vor vielen Tagen. Anfangs hoffte ich
unentwegt, dass du zurückkämest, und mich hier rausholen
würdest. Dass alles nur ein böser Traum gewesen wäre und ich
aufwachen würde..... bei dir zu Hause....
Aber du kamst nie. Und dann, wann immer jemand an "meinem"
Vermittlungszimmer vorbei ging, presste ich bittend meine Pfoten
durch jeden möglichen Spalt. Gab es niemanden, der mich mochte?
Niemanden, dem ich all meine Liebe, Dankbarkeit und zärtliche
Treue schenken durfte?
Die Wahrheit war, dass ich es nicht mit den süssen kleinen
knuddeligen Katzenkindern aufnehmen konnte. Unbeachtet, von
allen übersehen und vergessen, zog ich mich in eine Ecke zurück,
stand nicht mehr auf.
Eines Tages, am Nachmittag, hörte ich Schritte. Man hob mich
auf, trug mich über einen langen Korridor, der in einen Raum
mündete. Es war ein seliger, ruhiger Raum. Die Frau legte mich
auf den Tisch, streichelte behutsam über meinen Kopf und
erklärte mir, dass ich mich nicht sorgen solle. Mein Herz schlug
voller Erwartung auf das, was nun kommen sollte. Gleichzeitig
hatte ich ein Gefühl des Loslösens. Mir, der gefangenen der
Liebe, gingen die Tage aus. Ich war mehr um die nette Frau
besorgt als um mich selbst. Ich erkannte, dass sie an einer Last
tragen müsse, die Tonnen wog. Sie band leicht etwas um meine
Vorderpfote, während eine Träne ihre Wange hinunter kullerte.
Ich schob meinen Kopf in ihr Hand, so wie ich es immer bei dir
getan hatte, um dir meine Liebe zu zeigen. Ich spürte einen
leichten Einstich und eine kühle Flüssigkeit, die in mich
hineinfloss. Ich streckte mich schläfrig aus, schaute abei in
die freundlichen Augen der Frau und murmelte:" Wie konntest du?"
Möglicherweise verstand sie mein leises Miauen, denn sie sagte:"
Es tut mir leid!" Sie umarmte mich hastig und erklärte, dass es
ihr Job sei, mir einen besseren Platz zu verschaffen, wo ich
nicht missbraucht, ignoriert und verlassen sein würde. Einen
Platz, an dem ich mich nicht verkriechen müsse, einen Platz der
Liebe und des Lichts, der so anders sei als auf Erden.
Mit meinem letzten Funken Energie öffnete ich weit meine Augen
und sah sie unverwandt an, versuchte ihr so zu sagen, dass mein
"wie konntest du" nicht an sie gerichtet war. Ich dachte an
dich, du mein geliebter Mensch. Ich werde immer an dich denken
und auf dich warten.
Mein letzter Atemzug ist mein Wunsch, dass dir in deinem Leben
immer diese Loyalität widerfährt....
Einige Worte des Autors:
Wenn "Wie konntest du" Tränen in Ihre Augen trieb, dann erging
es Ihnen genauso wie mir, als ich dies schrieb. Jedermann ist es
erlaubt, diese Geschichte weiterzugeben, solange es einem nicht
kommerziellen Zweck dient. Erklären Sie der Öffentlichkeit, dass
die Entscheidung, ein Haustier aufzunehmen, in eine Familie zu
integrieren, eine wichtige für das Leben ist, dass Tiere unsere
Liebe und unseren Respekt verdienen.
Jim Willis |